Die Arbeiten an der Turmuhr zu Glyna

152647_900.jpg Die Arbeiten an der Turmuhr begannen am 07.06.2015 mit der Entfernung des Pendulums und der Uhrgewichte nebst Zugseilen und Seilrollen. Das 3mm-Seil des Schlagwerks war in gutem Zustand, es wurde lediglich gereinigt und wird später wieder verwendet. Das 2mm-Seil des Uhrwerks war am festen Ende schon stark korrodiert, dieses wird durch ein neues Seil ersetzt. Die Umlenkrollen befanden sich in gutem Zustand, so dass sie nach dem Zerlegen lediglich kräftig abgebürstet werden mussten. Ein neuer Anstrich mit Metallschutzfarbe verhalf ihnen wieder zu einem neuwertigen Aussehen. Ebenso wurde mit den Uhrgewichten (37Kg und 50Kg) verfahren, auch diese erhielten nach einer gründlichen Reinigung einen neuen Anstrich.


152673_800.jpg Beim Abbau der Uhr stellte sich heraus, dass die ganze Seilführung und -befestigung sehr stümperhaft ausgeführt war. Die Zugseile verliefen nicht parallel zu den Gewichten, was je nach Höhe der Gewichte schwankende Zugkräfte zur Folge hat. Die Seilführung wird beim Zusammenbau geändert. Auch waren die Seilenden an den Seiltrommeln nur stümperhaft festgerödelt, obwohl perfekte Befestigungsmöglichkeiten vorhanden sind. Das gesamte Uhrgehäuse wurde, vermutlich durch zu weites Aufziehen der Uhr, einseitig aus der Befestigung am Boden gehoben. Die daraus folgende Schräglage des Gehäuses dürfte das Aus für die Funktion bedeutet haben.


152696_800.jpg Nach den Vorarbeiten begann am 18.06.2015 das Zerlegen des Uhrwerks, zunächst in einzelne Module, die später, jedes für sich, einzeln zerlegt und gereinigt werden. Alle Schrauben ließen sich gut lösen, es ist nur minimale Korrosion vorhanden.
Der nächste Schritt war die waagerechte Neuaufstellung des Uhrensockels. Dieser wurde mittels 4 Metallwinkeln mit der Dielung verschraubt. Somit ist die Grundlage geschaffen, die Uhr wieder funktionstüchtig aufzubauen.


152851_800.jpg Die ersten Reinigungsarbeiten am Uhrwerk sind nahezu abgeschlossen. Mechanisch und mit viel Spiritus konnte die alte Schmutzschicht recht gut entfernt werden. Die letzten hartnäckigen Reste wurden mittels weicher Drahtbürsten und Schleifvlies, wie es für die Lötung von Kupferrohr verwendet wird, entfernt. Die Teile erhielten durch das Vlies ihren alten Glanz zurück. Alle Teile, die vorher auch einen Anstrich hatten, erhielten diesen wieder. Die Farbgebung entspricht etwa dem Urzustand.


153093_800.jpg Nach der Montage des Uhrwerks kam das Schlagwerk an die Reihe. Auch hier galt es wieder dem vielen Dreck Herr zu werden. Der anfängliche Verdacht, das am Schlagwerk ein wesentliches Teil fehlt, bestätigte sich nach der Besichtigung eines ähnlichen Werkes im Turmuhrenmuseum Nauenhof. Es fehlt die Schloßscheibe, die für die Steuerung der Schlagzahl zuständig ist. Hoffentlich lässt sich so ein Teil irgendwo auftreiben.


153518_800.jpg Als letzte der innen liegenden Komponenten kam das Getriebe für den Stundenzeiger an die Reihe. Der Gesamtzustand war auch hier sehr gut, wie beim Uhrwerk musste lediglich alles gereinigt und einige Eisenteile mit einem neuen Anstrich versehen werden. Bei den außen liegenden Komponenten, den Zeigern, sah die Situation nicht so gut aus. Das Kupferblech der Zeiger war im Grunde noch nicht so schlecht, wies jedoch einige Knicke auf. Die Verstärkungen aus Eisen auf der Rückseite der Zeiger waren jedoch stark korrodiert und einige Nietverbindungen hatten sich gelöst. Die Zeiger sollten durch neue ersetzt werden.


154056_800.jpg Endlich war es so weit, es war Zeit und die passende Temperatur um das erste Zugseil, für das Uhrwerk, einzuziehen. Zum Einsatz kam zunächst die alte und abenteuerliche Zuggewichtskonstruktion. In Planung ist aber ein neues Zuggewicht. Das alte Zuggewicht besteht aus einem ordentlichen Gewicht von 25Kg, welches mittels eines angerödelten 10Kg-Wägegewichts und eines 2Kg-Eisenrings auf die erforderlichen 37Kg gebracht wurde.
Am 20.08.2015 14:50 Uhr war es so weit, das Pendulum wurde angestoßen und die Uhr tickte. Auch einen Tag später tat sie das noch. Ein sehr schönes Erfolgserlebnis.
Leider stellte sich heraus, dass das anfänglich verwendete Silikonöl die unangenehme Eigenschaft hatte, nach ein paar Tagen spurlos zu verschwinden. So waren die Lager trocken und die Uhr blieb stehen. Die Schmierung mit einem anderen, richtigen Silikonöl brachte den gewünschten Erfolg.


154244_800.jpg Das Zugseil für das Schlagwerk kam als nächstes an die Reihe. Geplant war die Wiederverwendung des alten Seils, da dieses in einem recht guten Zustand war. Es stellte sich jedoch heraus, das dieses Seil unter Last einen Drall bekam, was zum miteinander Verdrehen des auf- und ablaufenden Seils führte. Also doch ein neues Seil bestellt, was auch gleich nach der Lieferung eingezogen wurde. Auch hier gab es anfänglich Probleme mit einer Verdrehung des Seils, obwohl auf einen drallfreien Einbau geachtet wurde. Eine leichte Korrektur und ein Aushängen des Seils unter Last brachte dann den gewünschten Erfolg und das Schlagwerk war bereit einen Glockenhammer anzutreiben.
Beim Einziehen der Seile sollten diese zunächst mittels Draht oder Faden am Herunterspringen von den Seilrollen gehindert werden. Nichts ist schlimmer, als ein Seil unter Last wieder auf die schmale Seilrolle zu legen.


155686_800.jpg Nun sollte das Schlagwerk auch wirklich schlagen. In Ermangelung einer guten Bronzeglocke kam erst einmal die alte eiserne Glocke zum Einsatz. Die Glocke sollte nicht zu laut sein, also wurde ein kleiner hölzerner Hammer angefertigt, der die Glocke weich anschlägt. Auf Grund des geringen Eigengewichts des Hammers wurde er nach unten mittels einer Zugfeder unter Spannung gesetzt. Durch eine günstige Platzierung der Glocke wurde nur eine Umlenkung des Antriebes benötigt. Der gesamte Aufbau ist zunächst als Testversion zu betrachten und muss noch etwas optimiert werden. Insbesondere die Lagerungen der Umlenkung und des Hammers sollten leichtgängiger werden. Die Anordnung funktioniert auf jeden Fall erst einmal und ging am 23.09.2015 zum Herbstanfang in Betrieb. Seit dem tönt jede halbe Stunde ein Bing.


156210-2_800.jpg Das Zifferblatt erhielt nach der gründlichen Entfernung der alten Farbschichten zunächst einen Anstrich mit Rostschutzgrundierung. Jetzt war erst der Lochfraß des Rostes in vollem Umfang erkennbar und machte eine Spachtelung mit 2-Komponenten-Spachtelmasse erforderlich. Nach dem Schleifen der Spachtelung erfolgte gezwungenermaßen ein 2. Anstrich mit Rostschutzgrundierung.
Die Holzplatte, auf der das Zifferblatt montiert war, befand sich in einem nicht mehr so guten Zustand, sie wurde durch eine neue Platte aus Nut-/Federbrettern ersetzt.
Nach der Trocknung des Rostschutzes wurden 3 Schichten weiße Farbe aufgebracht. Zunächst gab es Überlegungen, alles was schwarz ist, in Folie plotten zu lassen und aufzukleben. Dieser Gedanke wurde dann aber im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit und Authenzität verworfen. Der äußere Rand war noch einfach, mit Lineal und Bleistift anzeichnen und auspinseln. Für alle anderen Elemente wurden aus der 1:1-Zeichnung im Vektorgrafikprogramm Schablonen auf Papier gedruckt und ausgeschnitten. Mittels dieser Schablonen konnten dann die Umrisse auf das Zifferblatt gezeichnet werden und ebenfalls ausgepinselt werden. Hier zeigte sich, das billige Pinsel nichts taugen, es kamen feine Rotmarderpinsel zum Einsatz.
Nachdem alles trocken war, konnte das Zifferblatt zum Vergolden gebracht werden. Dies war die einzige Tätigkeit, die nicht in Eigenleistung durchgeführt wurde, sondern einem erfahrenen Restaurator, Franz Serfling, Jena, anvertraut wurde. (Fertigstellung: 24.11.2015)


156213-q_800.jpg Das Getriebe der Zeigereinheit wartete schon länger auf seinen Einsatz, nun war es so weit. Die alten Zeiger aus Kupferblech waren zwar etwas verbeult, aber sonst in gutem Zustand. So wurde zunächst die alte Farbe abgebrannt und die Zeiger gerichtet, geschliffen und schwarz gestrichen. Das größte Problem waren die neuen Speichen, die die Zeiger stabilisieren und die Verbindung zu den Wellen herstellen. Die Entscheidung fiel auf ein Vierkant-Edelstahlrohr in 10x10mm. Für den Stundenzeiger musste das mittige Ende zu einer Schelle mit Spannschraube ausgearbeitet werden, was besser ging, als erwartet. Für den Minutenzeiger musste lediglich ein leicht konisches Vierkantloch geschaffen werden. An den Stellen, an denen die Kupferzeiger gelocht waren, erhielt das Vierkantrohr Bohrungen mit Gewinde M3. So konnten die Zeiger gut mit Edelstahlschrauben an den Speichen befestigt werden.
Als Letztes mussten noch, nachdem die Zeiger an der Welle befestigt waren, die Zeiger ausgewuchtet werden. Hierzu wurden an die Enden der Gegengewichtsarme kleine Bleigewichten geklebt, die vorher auf das erforderliche Gewicht zugeschnitten wurden. Noch etwas schwarze Farbe auf die Gewichte und auch die Zeigereinheit war fertig zur Montage.


156379_800.jpg Am 02.12.2015 erfolgte mit vereinten Kräften die Montage des Zifferblattes. Ein interessanter Kontrast, das neue Zifferblatt und die noch alte Fassade. Nun war auch von außen zu sehen, dass sich was an der alten Turmuhr tut.
Nachdem das Zifferblatt befestigt war, erfolgte die Montage des Stundengetriebes und der der Zeiger. Alles wurde verbunden und die Zeiger ausgerichtet. So stand einer Inbetriebnahme der Uhr nichts mehr im Wege.
Einige Zeit später ergänzten wir das Zifferblatt noch mit einer Beleuchtung.


Einweihung...


190001-02-03_800.jpg Bis hierher klappte alles gut, lediglich das Problem der fehlenden Schloßscheibe bestand noch. Die Schloßscheibe ist ein spezielles Zahnrad, welches durch die Anordnung von Stegen und Kerben bestimmt, wie oft die Glocke zur vollen Stunde schlägt. Leider ist es uns nicht gelungen ein originales Ersatzteil zu bekommen. Der Durchmesser muss stimmen, die Anzahl der Zähne, die Drehrichtung,... Es gibt viele Varianten. Es blieb also nichts weiter, als sich was einfallen zu lassen.
In einem Dorf, nicht weit von Schöngleina und im Turmuhrenmuseum Naunhof, gibt es sehr ähnliche Turmuhren, mit der richtigen Schloßscheibe. Also diese vermessen und dokumentiert. Nun eine Zeichnung erstellen, aus der ein 3D-Modell erstellt wurde. So ein 3D-Drucker ist schon eine praktische Sache, besonders wenn er eine funktionierende Schloßscheibe ausspuckt. Gut, es hat nicht auf Anhieb funktioniert, es brauchte mehrere Versuche und einige Nacharbeit an der gedruckten Schloßscheibe, aber letztendlich passte sie und funktioniert seit dem 11.02.2018 tadellos. Nun hört man auch, was die Stunde geschlagen hat.
Ziel bleibt aber, die blaue Kunststoff-Schloßscheibe durch eine aus Metall zu ersetzen, was auch für das Gesamtbild der Uhr förderlich wäre.


Nach etwa 30 Jahren Stillstand und vielen Stunden Arbeit läuft die alte Uhr nun wieder perfekt. Ein paar Feinjustierungen der Pendellänge waren noch erforderlich, bis eine Ganggenauigkeit von durchschnittlich 1 Minute Abweichung in 2-3 Wochen erreicht war, Präzision made in 1902.
Wenn sich nun noch eine schöne Bronzeglocke finden würde (ca. 30-40 cm Durchmesser) wäre alles perfekt. Solche Glocken liegen leider finanziell jenseits von Gut und Böse und sind derzeit für uns illusorisch, aber träumen darf man ja...

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